Am Strand der Stiere


Ich hatte eigentlich eine andere Wanderung im Sinn. Aber das wäre schade gewesen. Denn eigentlich dachte ich, die asturianische Biskaya hat mir schon alles gezeigt, was sie zu bieten hat. Ich habe mich geirrt, denn ich kannte die Playa de Toró noch nicht.

Die Playa de Toró ist ein Muss! Nirgendwo habe ich beeindruckendere Wellen gesehen. Brüllend wie anstürmende Stiere treffen sie auf die Klippen, denen die Wendigkeit des Matadors fehlt. Sie sind seit langem erstarrt, halten den schäumenden Breitseiten stand, die sie Körnchen für Körnchen abtragen. Nun sind sie scharfkantig und zerklüftet. Ein felsiger Garten, wellenumspült im Sand. Felsnadeln mit Blüten aus Gischt. Wellen, die kein Surfer bewältigt, machen dem Namen der Bucht alle Ehre.

Mich wundert es nicht, das der Ort der Stierstrand heißt. Der Sound, die Symphonie, die die Felsen und Wellen aufführen, ist schwer zu beschreiben. Zuerst rollen die Wellen in immer höher ansteigenden Bögen auf die kleine Bucht zu, werden von den ihnen folgenden vorwärts gedrückt. Ihre Stimmen erheben sie erst, wenn ihr weiß schäumender Kamm auf dem Höhepunkt bricht. Dann wird es laut. Die Welle brüllt, röhrt, rauscht und dröhnt auf die Küste zu.

Erst jenseits der Klippen, wenn die Wellen kleiner und kleiner in sich zusammenfallen und auf dem Strand ausrollen, malen sie Schlieren, Blasen und Bläschen in den Sand. Leise plätschern und gurgeln sie um meine Schuhe, die inzwischen nass geworden sind. Die eben noch mächtig aufgebäumte Welle zieht sich erschöpft zurück, während im Hintergrund bereits die nächste brüllend herbeistürmt.

Der Stier verkörpert Spaniens kulturelle Identität wie kein anders Symbol – zwischen archaischem Ritual, moderner Unterhaltung und gesellschaftlicher Debatte. Er spielt in Spanien eine wichtige Rolle; nicht nur als Brandy. Ein Symbol der Kraft, Fruchtbarkeit und Wildheit. In der Corrida de Toros steht der Matador, der Töter, dem Stier allein gegenüber, wenn er sich dem Versuch stellt, das Wilde zu beherrschen. Hemingway schwärmt von der ritualisierten Gefahr, dem Mut und der Eleganz des Matadors. Doch der Stier hat von Beginn an keine Chance. Er folgt seinem Instinkt, der Matador einer ausgeklügelten Strategie. Der Mann ist ausgebildet, zum raffinierten Töten erzogen, das Tier instinktgesteuert. Sicher, der Matador besitzt Mut und Verwegenheit, wenn er sich nur wenig mehr als einen Meter entfernt vor den spitzen, gebogenen Hörnern des Stiers elegant bewegt. Sie könnten ihn mühelos aufschlitzen, während er das mächtige Tier zum Tanz auffordert. Wenn der Stier zuletzt abgehetzt, mühsam nach Luft ringend und vom Blutverlust geschwächt, die Kraft für das grausame Spiel verloren hat, ist auch der Kampf entschieden. Der Matador stößt seinen Degen von oben in den Hals des Stiers, bis die Klinge tief im Fleisch versinkt. Das Publikum feiert seinen zwielichtigen Helden, den Mörder im bunten Karnevalskostüm, seinem Anzug der Lichter, den Traje de Luz, wie sie ihn nennen. Ein Popstar mit blutigen Händen.

Eigentlich sollte meine Wanderung ein Circuit werden, aber sie endet an der Playa de Toró. Wieder einmal stimmen Karte und Realität nicht überein. Alle Wege, die ich versuche, enden am Rand einer Steilküste, wo mich die Möwen verspotten und entspannt wiederkäuende Ziegen bestaunen. Den Ältesten der Herde ist anzusehen, was ihnen durch den Kopf geht. Wären sie Menschen, sie würden mit dem Kopf schütteln.

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