In Oviedo


Ich werde angemessen verabschiedet. Villaviciosa zeigt mir heute Morgen das schönste Antlitz des Regens. Den doppelten Regenbogen. Ein hupendes Auto fährt am Café vorbei, und einen Augenblick glaube ich Heimdalls laut tönendes Gjallarhorn zu hören. Ich fasse die Brücke nach Ásgard, die sich über die Stadt spannt, erst einmal als gutes Omen auf, kann aber meine Skepsis nicht völlig verdrängen. Auf dem Weg zum Bushof regnet es sanft auf die von nächtlichen Schauern noch nasse Straße. Die schwarzen Wolken, die gestern über der Stadt hingen, haben sich zurückgezogen. Vorläufig. Über den Berghängen versammeln sie sich zu dicken Kumuluspaketen, die sich, während ich meinen Café con leche austrinke, unaufhaltsam auftürmen. Das wattige Weiß verändert sein Aussehen in schmutzigen Grau. Als ich aufbreche, gefällt sich der Himmel in einem verlockenden Blau, dem die grauen Haufenwolken nur zögerlich weichen. Adios Villaviciosa.

Ich bin angekommen. In Oviedo. Am Ende des Weges. Wieder einmal. Mit dem Bus nur eine halbe Stunde entfernt. In Oviedo regnet es. Von Tag zu Tag wird es kälter, sodass die Heimkehr in die richtige Zeit fällt. Im Parque de San Francisco schweben die ersten vertrockneten Blätter des Ahorns trudelnd zu Boden. Es erheitert mich, dass ich mir zum zweiten Mal in Oviedo neue Schuhe kaufen muss. Zum zweiten Mal lasse ich sie in diesem Park zurück. Acht Jahre habe ich sie auf vielen Wegen getragen; gekauft auf einer anderen Wanderung in Ourense. Nun finden sie in Nordspanien, woher sie stammen, ihre Ruhe. Der beste Ort in Oviedo, sie zu verabschieden, ist eine Bank im San Francisco Park, im Zentrum von Oviedo, wo die weltberühmte Malfada seit 2014 ihre Verehrer empfängt.

Der argentinische Grafiker und Humorist Joaquín Salvador Lavado Tejón, besser bekannt unter seinem Pseudonym Quino, hat mit seiner Figur Malfada Millionen von Anhänger auf der ganzen Welt. In Asturien hat man eine besondere Vorliebe für die Malfada-Skulptur des argentinischen Bildhauers Pablo Irrgang, so wie ich eine besondere Vorliebe und Dankbarkeit für meine abgetragenen Wanderschuhe habe.

In einer nahe gelegenen Straße wartet Woody Allen auf seine Fans. Die Hände in den Hosentaschen vergraben, mit seiner typischen Brille und dem legeren Outfit aus Jacke und Hose, schlendert er betont lässig auf und ab. Im Gestus der demonstrativ zur Schau gestellten Coolness eines intellektuellen Stadtneurotikers. Leicht nachdenklich seine Miene, scheint er zu vergessen, dass er nicht der einzige Passant ist. Seit der Einweihung der lebensgroßen bronzenen Estatua de Woody Allen von Vicente Santarúa 2003 ist sie zu einer Ikone der Stadt geworden. Die Stadtverwaltung von Oviedo beauftragte die Statue, um Woody Allen zu würdigen, der 2002 den Prinz-von-Asturien-Preis für Kunst erhielt. Seine Bewunderung die er für die Stadt ausdrückte, ist auf einer Gedenktafel vor der Statue auf Spanisch zu lesen: „Oviedo ist eine herrliche Stadt, exotisch, schön, sauber, angenehm, ruhig und autofrei, als gehöre sie nicht zu dieser Welt, als ob sie nicht existierte … Oviedo ist wie ein Märchen.“ 2008 wählte er Oviedo als einen der Drehorte für seinen Film „Vicky Cristina Barcelona“. Die Malfada und Woody sind aktuell die begehrtesten Fotomotive bei den Touristen der asturischen Hauptstadt geworden. Aber sie sind nicht allein auf dem Skulpturenpfad Oviedos, der eigentlich ein Freilichtmuseum ist, über die ganze Stadt verteilt, und der das Stadtbild bereichert.

Oviedo ist die Stadt, in der der ursprüngliche Pilgerweg beginnt - der Camino Primitivo. Alfons II. El Casto, der Reine, so lautet die Legende, war der erste Pilger dorthin, wo heute Santiago de Compostela liegt. Er gründete eine Kapelle, aus der nach und nach die Kathedrale von Santiago hervorging. Die Kathedrale in Oviedo ist San Salvador, dem Erlöser, geweiht. Und man versäumt es nicht, die Pilger:innen darauf hinzuweisen, dass sie in Santiago den Diener aufsuchen, während der Herr doch in Oviedo residiert. Alfonso, der Reine, blickt sehnsüchtig dorthin, wo er vielleicht den Herrn vermutet, während ihm die Frau zu seine Füßen den Stinkefinger zeigt.

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